- 04. September
Knöchelverletzungen
Die meisten Patienten mit Verletzungen des Sprunggelenks, die in meiner Praxis erscheinen, erzählen ähnliche Geschichten. Viele dieser Patienten kennen dieses Problem schon seit Jahren und haben sich schon damit abgefunden, dass sie regelmäßig „umknicken“. Die Erklärung scheint ganz einfach für sie zu sein: „Ihre Bänder im Sprunggelenk sind zu lang / überdehnt / gerissen.“ Daher knicken sie immer wieder um.
Scheint eine wirklich gute und verständliche Erklärung zu sein. Für mich persönlich, wäre diese Erklärung jedoch nicht genug. Denn schließlich sind unsere Bänder nicht primär dafür da uns am Umknicken zu hindern. Die Bänder sind die LETZTE Barriere, die uns vor größerem Schaden bewahren. Normalerweise verfügt der menschliche Körper jedoch auch noch über andere Mechanismen, welche uns vor Verletzungen beim Umknicken schützen.
Diese anderen Mechanismen sind unser sensomotorisches System. Fehler in diesem System führen dazu, dass Patienten immer wieder umknicken. Was genau hinter diesem Begriff steckt, erkläre ich dir gleich.
Es ist richtig, dass unsere Bänder die passive Barriere sind, die uns vor groben Verletzungen beim Umknicken bewahren sollte. Neben der passiven gibt es nämlich noch die aktive Barriere. Diese arbeitet AKTIV mit unseren Muskeln, welche reflexartig handeln, wenn wir drohen umzuknicken. Damit diese Schutzreaktion unseres Körpers gut funktioniert, ist es nicht nur wichtig, dass unsere Muskeln gut funktionieren, sondern es ist vor allem notwendig, dass unser gesamtes sensomotorisches System auf die Umwelt reagiert.
Das Wort „sensomotorisches System“ bezieht sich auf die Kommunikation zwischen unseren Gelenken/Muskeln und unserem Nervensystem (Rückenmark und Gehirn). Unsere Gelenke/Muskeln senden Informationen zum Nervensystem und umgekehrt. Diese Kommunikation passiert natürlich irrsinnig schnell, damit wir rechtzeitig auf unsere Umwelt (z.B. wenn sich der Boden plötzlich von gerade auf schräg ändert…) reagieren können.
Unsere Fußmuskeln sind beim Gehen auf ebenem Boden ständig aktiv. Gehen wir auf unebenem Untergrund sind jedoch manche Muskeln aktiver als andere. Dabei müssen wir nicht bewusst darüber nachdenken und uns konzentrieren bestimmte Muskeln mehr zu aktivieren als andere. Nein, das funktioniert ganz von alleine durch die Aktivität unseres sensomotorischen Systems. Informationen zur Bodenbeschaffenheit werden nach oben gesandt, dort werden die notwendigen Reaktionen unserer Muskeln berechnet und anschließend nach unten zu den Muskeln übermittelt.
Egal ob wir auf ebenem, abfallendem, ansteigendem oder unebenem Boden gehen unsere Muskeln passen sich sofort an. All das, damit wir uns überall möglichst effektiv fortbewegen können.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die immer wieder umknicken Defizite in diesem System haben. Wenn diese Anpassungen der Muskelaktivität nämlich zu langsam passieren ist, unser Sprunggelenk für kurze Zeit nicht stabil genug um den Fuß in Balance zu halten.
Das Ergebnis im schlimmsten Fall: Wir knicken um.
Der Grund: Entweder ging die Information (dass wir uns nun auf einem anderen Untergrund bewegen) zu langsam nach oben in unser Nervensystem oder das Kommando von unserem Nervensystem an unsere Muskeln erfolgte zu langsam nach unten.
Wenn Schmerzen bestehen, Schmerzen vorhanden waren oder wir unzureichend trainiert sind haben unsere Stabilisationsmuskeln die Eigenschaft ihre Funktion runterzufahren. Sie sind also weniger aktiv und können daher nicht so gut/schnell reagieren. In vielen Fällen regeneriert sich diese Funktion wieder, wenn kein Schmerz mehr besteht. In manchen Fällen bleibt jedoch diese eingeschränkte Funktion unserer Stabilisatoren beeinträchtigt. Daher erhöht sich das Risiko in Zukunft erneut umzuknicken drastisch.
Die gute Neuigkeit ist jedoch, dass diese Stabilisationsfähigkeit wieder „rücktrainiert“ werden kann und somit auch das Risiko zum erneuten Umknicken verringert werden kann. Ein guter Tipp um sein sensomotorisches System zu trainieren ist das Stehen auf einem Bein morgens beim Zähneputzen. Dabei nicht mit den Zehen krallen, sondern die Zehen locker halten!
Ein gezieltes sensomotorisches Training besteht zwar aus mehr als dem bloßen Stehen auf einem Bein, aber es ist ein Anfang. Besorge dir Trainingsgeräte welche die Stabilität deines Fußes verbessern, wie z.B. Kreisel oder weiche Matten auf denen du Balanceübungen durchführst. Falls dir die Ideen ausgehen oder du mit den Youtube Tutorials unzufrieden bist, dann ruf deinen nächsten MSK Physiotherapeuten an, lass dich untersuchen, finde heraus wo deine Defizite im sensomotorischen System liegen und befolge den Trainingsplan, den dir dein Therapeut zusammenstellt.
Wir von Perform Physio sind speziell ausgebildete Physiotherapeuten, die sich intensiv mit dem Thema Training und Trainingstherapie auseinandergesetzt haben. Dieses Wissen geht über das Standardwissen vieler anderer Trainer hinaus, da wir auch die Pathologie und die Wundheilung beachten müssen, bzw. auch eventuelle Schmerzen berücksichtigen müssen. Unser Ziel ist es, dir nicht nur die richtigen Übungen zu zeigen, sondern dir die Übungen richtig zu zeigen. Es ist nämlich nicht sehr schwer die richtigen Übungen falsch durchzuführen. Wir wollen uns für den Patienten Zeit nehmen und freuen uns, wenn sich am Ende der Erfolg einstellt. Daher ist auch uns sehr wichtig, dass DU weißt, was du beim Training beachten musst. Dann liegt es an dir deine Kraft und Koordination zu verbessern, denn trainieren können wir leider nicht für dich.
Jeder der einmal umgeknickt ist, kann von dieser Art des Trainings profitieren. Egal ob du einen aktiven Lebensstil verfolgst, oder du dich nur gelegentlich sportlich betätigst.
Du weißt nie wann ein kleiner Spaziergang oder das Hinuntersteigen über eine Treppe eine Herausforderung für dein sensomotorisches System werden kann.